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Kleine Darmtumoren ohne OP entfernen

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Kleine Darmtumoren könnten künftig mit einem neuartigen Gerät schon während der Darmspiegelung entfernt werden. Das würde vielen Patienten die Risiken und Unannehmlichkeiten einer Operation ersparen.

Mithilfe des „Full-Thickness Resection Device“ (FTRD, zu deutsch: „Gerät zur Vollwandentfernung“) gelang es Spezialisten am Klinikum Ludwigsburg erstmals, flache Tumore aus der Darmwand ihrer Patienten minimalinvasiv, mittels eines Endoskops, zu entfernen. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Gastroenterology“ berichten die Experten über die neue Methode, die sie gemeinsam mit dem Tübinger Unternehmen OVESCO entwickelt haben. Mit der Technik könnte vielen Patienten die Risiken und Unannehmlichkeiten einer Operation erspart und Kosten im Gesundheitssystem reduziert werden, so die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).

Adenome sind Gewebsveränderungen der Darmschleimhaut, aus denen sich Darmkrebs entwickeln kann. Die meisten Adenome ragen mit einem „Stiel“ in das Innere des Dickdarms hinein. Ärzte können sie bei der Darmspiegelung problemlos entfernen. Sie verwenden dabei ein Endoskop, ein flexibles, röhrenförmiges Untersuchungsinstrument, um kleinere Eingriffe von innen heraus vorzunehmen. Schwieriger wird dies bei flachen Adenomen, die sich nicht von der Darmwand abheben lassen. Für deren Entfernung müssen Betroffene sich bislang einer Bauchoperation unterziehen. Ein neues Spezialgerät könnte einigen Patienten diesen Eingriff künftig ersparen.

Bei dem FTRD handelt es sich um eine Kappe, die auf die Spitze des herkömmlichen Endoskops gesetzt wird. Wenn der Arzt das Adenom bei der Darmspiegelung entdeckt, platziert er die Endoskopspitze über dem Adenom. Dann greift er dieses mit einer Zange und zieht es gemeinsam mit allen Schichten der Darmwand in die Kappe hinein. Im nächsten Schritt legt der Arzt einen speziellen „Clip“ um den eingezogenen Darmabschnitt und schneidet ihn mit einer Schlinge heraus. „Der Clip ist ein Kurzzeit-Implantat und verhindert, dass sich ein Loch in der Darmwand bildet“, erläutert Professor Dr. med. Karel Caca, Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik I – Gastroenterologie/Hepatologie am Klinikum Ludwigsburg. „Die Erfolgsrate liegt bei 75 Prozent“, so der Experte Caca. Bei drei von vier Patienten konnten die Ärzte die Wucherungen also auf Anhieb entfernen. „Für die anderen Patienten besteht die Chance, dass dies in einem zweiten Schritt gelingt. Das minimalinvasive Verfahren kann problemlos wiederholt werden“, betont der Mediziner.

Auch für andere Eingriffe interessant

Auch bei anderen Eingriffen könnte das Gerät künftig zum Einsatz kommen. „Es bietet sich zum Beispiel an, wenn Frühkarzinome im Darm nicht sicher komplett beseitigt wurden oder auch um kleine, unter der Schleimhaut gelegene Tumoren zu entfernen“, erklärt Caca. Auch Kinder sollen von der Entwicklung profitieren: Bei bestimmten Erkrankungen des Darmnervensystems, wie etwa dem „Morbus Hirschsprung“, ist für die Diagnostik eine Vollwandbiopsie notwendig. Eine solche Gewebsentnahme kann bisher nur im Rahmen einer Operation erfolgen.

Um die Sicherheit für die Patienten zu gewährleisten, müssen Kliniken, die das Gerät anschaffen wollen, ihre Ärzte zunächst in der Anwendung schulen lassen. „Außerdem ist dieser Eingriff Spezialzentren vorbehalten“, erklärt Caca.

„Zwar muss sich die FTRD-Technik noch in größeren Studien bewähren“, sagt Professor Dr. med. Christian Trautwein, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Unabhängig davon sei der Nutzen für die Patienten schon jetzt erkennbar. Die Erfinder aus Süddeutschland knüpften dabei an eine Tradition deutscher Gastroenterologen an, so Trautwein: Bei der Entwicklung der Endoskopie spielten Ärzte hierzulande bereits früher eine Schlüsselrolle. Angeregt durch die Darbietung eines Schwertschluckers führten Adolf Kußmaul und Julius Müller 1868 erstmals Spiegelungen der Speiseröhre und des Magens durch. 1932 entwickelte der Endoskopiker Rudolf Schindler gemeinsam mit dem Instrumentenbauer Georg Wolf das erste „semiflexible“ Endoskop.

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